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Hochsensibilität – ein Persönlichkeitsmerkmal der Neurodiversität mit beruflicher Zukunft

Dass die Fokussierung auf Diversität im Unternehmen ein großes Thema geworden ist, lässt sich in den Medien leicht feststellen. Etwas neuer allerdings ist der Bereich und die Definition der Neurodiversität. Ebenso verhält es sich mit dem Persönlichkeitsmerkmal der Hochsensibilität. Ein Begriff, der dringend ein neues Image braucht?

Was ist Neurodiversität und Hochsensibilität?

Neurodiviersität als Sammelbegriff

Der Begriff ‚Neurodiversität’ ist noch relativ jung und wurde in den 90er Jahren geprägt und steht seit 2011 als ein Konzept das an der Syracuse University in New York vorgestellt wurde. Kürzlich ist dazu ein Artikel der Süddeutschen Zeitung mit dem Titel: ‚Handicap als Begabung‘ erschienen. In diesem Artikel wird der Begriff definiert als ein Grundgedanke, der neurologisch bedingte Unterschiede in der Wahrnehmung und in der Verarbeitung von Reizen als Ausdruck natürlich menschlicher Vielfalt betrachtet.

Oder nochmal aus der Wissenschaft: ‚Das Konzept von Neurodiversität definiert alle atypischen neurologischen Entwicklungen als normale, menschliche Unterschiede‘ (Griffin & Pollak, 2009; zitiert in Jaarsma & Welin, 2012, 23)

Unter dem Begriff ‚Neurodiversität’ werden auch Ausdrucksarten wie Asperger-Syndrom, Autismus und das Aufmerksamkeit Defizit (Hyper) Syndrom (ADHS) gezählt, genauso wie die Hochsensibilität, die als eine Spielart der Neurodiversität gilt, so weiter im Artikel. 

Hochsensiblität ist eine Ausprägung

Hochsensibilität, wissenschaftlich auch Neurosensitivität genannt, ist ein fundamentales Persönlichkeitsmerkmal, das auf der Sensitivität des zentralen Nervensystems beruht. So beschreibt es die Universität in einem 2020 veröffentlichten Arbeitsbericht  mit dem Titel: ‚Hoch(Neuro)sensitive Mitarbeitende: Weicheier oder Wunderkinder?‘ 

Hoch(Neuro)sensitive oder Hochsensible Personen verfügen demnach über eine erhöhte Ansprechbarkeit für psychische und sensorische Reize, auf die mit stärkeren Emotionen reagiert wird.  

Auf den Mix kommt es an

Dabei kommt die Studie der Universität Bern, zu dem Schluss, dass Neurodiversität für Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil darstellen kann und somit auch die neurosensitivdiverse Belegschaft. Sie zitieren:

Menschen sind wie Puzzle-Teile, unregelmäßig geformt. In der Vergangenheit haben Unternehmen Mitarbeitende gebeten, ihre Unregelmäßigkeiten zu beseitigen, da es einfacher ist, Menschen zusammenzufügen, wenn sie alle perfekte Rechtecke sind. Dafür mussten die Mitarbeitenden ihre Unterschiede zu Hause lassen – Unterschiede, die Unternehmen jedoch benötigen, um innovativ zu sein.

Austin, R. D., & Pisano, G. P. (2017). Neurodiversity as a competitive advantage. Harvard business review, 95(3), 96-103

Dies gilt allerdings nur, wenn der Anteil der Mitarbeiter mit erhöhter Diversität selten ist. Daher hat die Neurodiversität eine große Wichtigkeit für den optimalen Mix um erfolgreiche Teams zusammen zu stellen. Außerdem ist wichtig, dass sich dieses Persönlichkeitmerkmal als förderlich im Leben der Mitarbeiter ausgewirkt hat.

Bemerkenswert bei beiden Veröffentlichungen ist nach meinem Empfinden die negative Konnotation der gewählten Überschriften des Artikels und der Studie. 

Wollen wir uns doch mal die Vor- und Nachteile ansehen, die dieses Persönlichkeitsmerkmal mit sich bringt. Was der Einzelne tun kann um das Potenzial darin voll auszuschöpfen und zu seinem Vorteil zu leben. 

Die Herausforderungen der Hochsensibilität im beruflichen Umfeld

Wie jedes Persönlichkeitsmerkmal der neurologisch bedingten Diversitäten weist auch die Hochsensibilität ihre Schatten- und Sonnenseiten auf. Die Hochsensibilität wird definiert über vier Facetten, die die meisten der hochsensiblen Personen gemeinsam haben: 

  1. erhöhtes Bewusstsein
  2. erhöhte Empathie 
  3. vertiefte Informationsverarbeitung
  4. erhöhte Anfälligkeit für Überstimmulation durch ein empfindsames Nervensystem1 

Immerhin stellen drei dieser Facetten die Sonnenseiten und somit vorteilhafte Eigenschaften dar, die dieses Merkmal mit sich bringt. Lediglich der vierte Punkt beschreibt eine mögliche negative Ausprägung, also die Schattenseite dieser Personen. Dabei sei erwähnt dass es sich bei diesem Persönlichkeitstyp nicht um einen selbstgewählten Lebensstil handelt, sondern um einen genetisch veranlagten Wesenszug, der über Vererbung erworben wird (und auch weitergegeben wird) (vgl. E. N. Aron, 2012).

Woher kommt das schlechte Image dieses Persönlichkeitsmerkmals?

Zunächst einmal kommt diese Veranlagung relativ häufig vor, nämlich bei 15-20% aller Menschen (und Tiere). Das bedeutet, dass 80% der Menschen Neurotypisch veranlagt sind und die Neurosensitiven somit in der Minderheit sind.2

Wie bei vielen Minderheiten beginnen aufkeimende Probleme schon in der Kindheit, allem voran in der Schule. Eine Einrichtung die für Gleichheit ausgelegt ist und es für all diejenigen schwer macht, die sich von der Masse abheben. Außerdem ist die Elternschaft sehr entscheidend ob sich dieses Merkmal förderlich oder als Schattenseite auf das spätere Leben ausbreitet. 

Die vierte Facette der Hochsensibilität, die der Überstimmulation ist also maßgeblich dafür verantwortlich ob sich die Kindheit als förderlich (Vantage) oder hinderlich (Vulnerabel) für die Ausprägung der Sensitivitätsgene ausgewirkt hat oder nicht. 

Denn je mehr Sensitivitätsgene vorhanden sind, desto stärker bestimmt die frühe Umwelt, also Elternschaft und Schule, welche Seite der Sensitivität herausgebildet wird. Die Sonnen- oder die Schattenseite.4

Die Vorteile und Zukunftsaussichten der Hochsensiblen Personen (HSP)

Wie jeder Mensch ein Individuum ist, lassen sich auch hochsensible Menschen nicht über einen Kamm scheren. Auch nicht die positiven Seiten. Was sie jedoch gemeinsam haben ist die tiefe Wahrnehmungsfähigkeit. Diese Fähigkeit bringt unterschiedliche Ausprägungen hervor. So wie Elaine N. Aron schreibt in ihrem Buch: „Psychotherapie für Hochsensible Personen“:

Die typischen Eigenschaften hochsensibler Personen die häufig genannt werden sind z.B. Kreativität, Gewissenhaftigkeit, Loyalität und Empathie für Klienten und Kollegen. Ebenso ein vorausschauendes und ganzheitliches Denken, ein ethisches Grundverständnis sowie Fähigkeiten zu Problemlösung und Strtegieentwicklung werden oft hervorgehoben.

Dies gilt jedoch immer unter der Prämisse, dass HSP sich nicht überstimulieren lassen. 

In einem Artikel von cio werden diese Vorteile der Hochsensibilität recht anschaulich in einen Kontext der aktuellen Marktsituation gestellt und folgendermaßen dargestellt: 

  • Ein Frühwarnsystem gegen Fehlentwicklungen lässt sch mit hochsensiblen Mitarbeitern ausgezeichnet aufbauen
  • Ihr Talent, aufkommende Konflikte zu ersparen, gepaart mit hohem Gerechtigkeitssinn kann maßgeblich zu einem besseren Betriebsklima beitragen
  • In Auslandseinsätzen punkten sie als interkulturelle Vermittler und in Forschung und Entwicklung verzeichnen sie dank ihrer sprichwörtlichen Akribie und Beharrlichkeit höchste Erfolge 

Jedoch drängen sich Hochsensible selten in den Vordergrund und sind von daher für Unternehmen nur schwierig auffindbar. 

Daher liegt es auch an den Menschen selbst, sich so zu positionieren, dass sie ihr gesamtes Potenzial zum Ausdruck bringen können. Beziehungsweise können sie selbst sehr viel dafür tun, ihre Position und Voraussetzungen zu optimieren.

Wie das Potenzial der Hochsensiblen zur Entfaltung gebracht wird

Zusammengefasst sind laut Studien hochsensible Personen emphatischer und kreativer. Auf der anderen Seite jedoch zeigen weitere Studien, dass hochsensible Personen Stress- und Burnout-gefährdeter sind als andere. 

Wie oben schon erwähnt, liegt es an dem erwähnten Punkt 4: Die erhöhte Anfälligkeit für Überstimulation durch ein empfindsames Nervensystem, die Reizschwellen zu erkennen und frühzeitig entgegenzuwirken. 

Desweiteren kommt hinzu, dass hochsensible Menschen in ihrer Kindheit oft nicht gelernt haben ihre Grenzen wahrzunehmen und ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen. Dies kann durch eine Neubewertung des eigenen Lebenslaufes noch im erwachsenenalter nachgeholt werden. 

So können mit äußerlichen und vor allem mit persönlichen Anpassungen schon große Veränderungen erreicht werden: 

Äußerlich am Arbeitsplatz: 

  • Reduzierung von Reizen, Vermeidung von Lärm in Einzel- oder Kleingruppenbüros

  • manchmal hilft auch ein flexibles Arbeitsumfeld mit Möglichkeit zum Home-Office
  • Möglichkeiten zum Rückzug für Pausen nutzen

Persönliche Entwicklungspotenziale:

  • Die Entwicklung von Achtsamkeit gegenüber der eigenen psychischen und physischen Bedürfnisse, ganz wichtig ist hierbei eine gute Wahrnehmung körperlicher Empfindungen, da dies in vielen Fällen früh unterdrückt wurde.  
  • Kennenlernen der eigenen Grenzen körperlich und mental5
    • dabei auf den Bauch hören, die Stimme der Intuition kennenlernen um die Reizschwellen aufzuspüren 
    • Klarheit verschaffen: ‚Was ist meine Aufgabe?‘,  da es HSP oft leichter fällt die Aufgaben anderer zu lösen als die eigenen.
    • Zeitliche Abgrenzung: ‚Was ist jetzt dran?’, damit sich HSP nicht in Aufgaben verlieren und zu weit vorausplanen oder Sorgen um die Vergangenheit zu machen. 
    • Räumliche Abgrenzung: ‚Was ist hier dran?‘, um zu vermeiden dass die HSP wie so häufig in der Situation gar nicht ankommen und gedanklich nicht im Raum anwesend sind. 

All diese Punkte helfen dabei, die Vorteile, die das Persönlichkeitsmerkmal mit sich bringt zur vollen Entfaltung zu bringen und sowohl für das Unternehmen als auch für den Menschen selbst einen optimale Arbeits- und Leistungsvoraussetzungen zu schaffen. Jedoch Bedarf es der Selbst-Reflexion und einer kontinuierlichem Veränderungswillen, wenn noch persönliche Themen aufzuarbeiten sind. Dafür ist es leichter wenn eine zweite ausgebildete Person unterstützt. 

In meinem SmartBalance Coaching habe ich mich darauf spezialisiert die Bedürfnisse hochsensibler Personen, ihre Potenziale zu entwickeln und die individuellen Stärken herauszuarbeiten. Außerdem biete ich regelmäßig stattfindende Meditationskurse und auch Achtsamkeitskurse an um genau diesen Anforderungen nachzukommen. Gerne stehe ich für ein kostenloses Erstgespräch zur Verfügung. 

Quellen:

  1. Austin, R. D., & Pisano, G. P. (2017). Neurodiversity as a competitive advantage. Harvard business review, 95(3), 96-103
  2. Wyrsch, P., de Grote, J., Hack, A., (2020). Hoch(neuro)sensitive Mitarbeitende: Weicheier oder Wunderkinder?, S. 5
  3. Aron, E. N., (2010). Sind Sie hochsensibel? Wie sie Ihre Empfindsamkeit erkennen, versteht und nutzen, mgv, München
  4. Wyrsch, P., de Grote, J., Hack, A., (2020). Hoch(neuro)sensitive Mitarbeitende: Weicheier oder Wunderkinder?, S. 6
  5. Sellin, R. (2020). Wenn die Haut zu dünn ist, Hochsensibilität – vom Manko zum Plus, Kösel-Verlag, München, S. 91

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